Lourdes - Jubiläum im Rückblick
Zum Gedenktag U. Lb. Frau von Lourdes, 2009
Vor mir liegt das Magazin „Lourdes“, die Doppelausgabe Dezember 08 / Januar 09… Wunderbare Bilde lassen das Jubiläumsjahr Revue passieren, angefangen von der feierlichen Eröffnung des Jubiläumsjahres am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria am 8 Dezember 2007, über alle Höhepunkte hinweg wie der Papstbesuch Mitte September und andere grosse Pilgertage.
In einem Beitrag zum Jubiläum lese ich: „Das Jubiläum der Erscheinungen hat die Erneuerung der Seelsorge von Lourdes gefördert…“ Zu Beginn des Lourdes-Jubiläumsjahres habe ich mir grosse Hoffnungen gemacht, dass die Impulse, die von Lourdes ausgingen und weiterhin ausgehen, auch in unserem Land, vor allem in unserer deutschsprachigen Schweiz, aufgenommen würden. Ich sah und sehe darin eine wirkliche Chance, einen wesentlichen Beitrag zur Neuevangelisierung in unseren glaubensfrostigen Regionen und in unserer glaubensfrustigen Gesellschaft.
Warum? Lourdespilgerinnen und Pilger gibt es überall. Das Netz unserer regionalen Lourdespilgervereine ist sehr dicht in unserer deutschsprachigen Schweiz, nicht nur in den katholischen Stammlanden, sondern auch in den Diasporagebieten. Da ist ein wirkliches Potential vorhanden an Katholikinnen und Katholiken, die durch ihr Zeugnis einen wesentlichen Beitrag zu Neuevangelisierung in unserem Land beitragen können. So gesehen, ist „Lourdes“ überall bzw. könnte überall sein. Aber was ist „Lourdes“? Letztlich die Botschaft des Evangeliums ganz praktisch umgesetzt. Die Botschaften, welche die arme Müllerstocher Bernadette empfangen hatte, entsprechen dem Ruf des Evangeliums: „Kehrt um! Das Himmelreich ist nahe!“ (vgl. Mt 4,12-17).
Umkehr!
In diesen Tagen haben uns die Schweizer Bischöfe mit der Revision der Partikularnormen zum Busssakrament vorgelegt. Kurz gesagt: Zur wirklichen Versöhnung mit Gott und der Kirche gehört das Bekenntnis des Einzelnen und die Lossprechung für den Einzelnen. Diesem Anspruch kann die Bussfeier mit sakramentaler Absolution, wie sie in unserem Land praktiziert wird und im Laufe der Jahre zur Normalität erklärt wurde, nicht genügen.
Die Kirche kennt zwei ordentliche Formen der Praxis des Busssakramentes:
- Die Feier der Versöhnung für Einzelpersonen in der hl. Beicht.
- Die gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit anschliessendem Einzelbekenntnis und Absolution für den Einzelnen.
Diese Höchstform der vergebenden Begegnung mit Christus im Empfang des Busssakramentes ist in Lourdes besonders schön entfaltet und auch erfahrbar.
Jedem Priester, der an seiner Berufung zweifelt oder den Sinn seiner Berufung in Frage stellt wegen Enttäuschungen und Misserfolg, wäre anzuraten, sich in Lourdes als Beichtvater zur Verfügung zu stellen. An diesem Gnadenort Werkzeug der Versöhnung Gottes mit dem Menschen sein zu dürfen, ist an sich schon eine Gnade und eröffnet jedem Priester neu den Sinn seiner Berufung, Hirte im Dienst des Guten Hirten sein zu dürfen. In wunderbarer Weise wird erfahrbar, wie Menschen, die sich der Gnade Gottes über Jahre oder gar Jahrzehnte verschlossen hielten, sich plötzlich seiner barmherzigen Liebe öffnen.
Unter der sachten und sanften Führung durch Maria sind Menschen nun bereit, selbst die Lasten schwerster Sünden abzuladen und der Barmherzigkeit Gottes zu übergeben. Ja, auf geheimnisvolle, sensible und sehr intime Weise führt Maria „verlorene“ Söhne und Töchter (wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn Lk 15,11-32) in die offenen Arme des barmherzigen Vaters zurück. In Lourdes wird wirklich erfahrbar, was Umkehr bedeutet. Die Umkehr jedes einzelnen Menschen durch das Busssakrament ist ein verborgenes Wunder von Lourdes.
Christus ist die Mitte!
Neuevangelisierung heisst: Christus und seine Botschaft - aber auch Christus und seine Kirche - wieder in die Mitte zu rücken. Immer noch werden viele Ehen kirchlich geschlossen; immer noch werden unzählige Kinder getauft und gefirmt. Aber kirchliche Eheschliessungen sind kaum mehr Gründung einer christlichen, einer katholischen Familie. Entsprechend werden die Kinder auch nicht mehr zur Tiefe und Schönheit unseres Glaubens geführt. Ja, Christus und seine Botschaft, seine Kirche sind an den Rand verdrängt worden.
Dass unsere Welt chaotisch ist, dass Vieles aus den Fugen geraten ist, weiss heute jedermann. Finanz- und Wirtschaftskrise sind nur ein Resultat davon. Rückkehr in Gottes Ordnung wäre dringend und zwingend; aber niemand lässt sich drängen und niemanden kann man zwingen. Wer Christus und sein Evangelium in der Mitte stellt, der befindet sich in Gottes Ordnung.
In Lourdes wird Maria, die Unbefleckt empfangene Jungfrau und Gottesmutter Maria in besonderer Weise verehrt. Und doch stehen Christus und sein Evangelium in der Mitte. Auch Unsere Liebe Frau von Lourdes weist auf diese Mitte hin. Alle liturgischen Feiern und das ganze gottesdienstliche Handeln ist auf Christus im Allerheiligen Altarssakrament hingeordnet.
Das heilige Messopfer, das tagtäglich mehrmals und in vielen verschiedenen Sprachen gefeiert wird; die Eucharistische Prozession am Nachmittag; die verschiedenen Möglichkeiten der Anbetung des Allerheiligsten… Im Brief des heiligen Apostels Paulus an die Gemeinde von Philippi lesen wir: Darum hat Gott ihn (Jesus) über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der grösser ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: JESUS CHRISTUS IST DER HERR, zur Ehre Gottes, des Vaters (Phil 2,9-11). Die liturgischen Feiern in Lourdes in ihrer vielfältigen Gestaltung lassen keine Zweifel offen, dass Jesus Christus wirklich der Herr ist und die Mitte unseres Glaubens bedeutet.
Hier muss die Neuevangelisierung ansetzen, Jesus Christus wieder in die Mitte zu rücken, so, wie es in Lourdes tagtäglich zelebriert wird. Wer sich als Mann oder Frau, als Kind oder Jugendlicher auf diese Mitte hin bewegt und aus dieser Mitte lebt, der befindet sich in Gottes Ordnung. Gott sei Dank, dass wir soche Gnadenorte haben, wo es Menschen leichter fällt, in Gottes Ordnung zurückzukehren. Lourdespilgerinnen und Lourdespilger könnten hier ein grossartiges Apostolat ausüben, in dem sie in ihrem konkreten Umfeld versuchen, durch ihr Beispiel, durch ihr Leben und Handeln und begleitet durch das Gebet, Menschen zu Christus, zur Mitte hinzuführen.
Der Ruf zur Neuevangelisierung fordert alle, die Priester, die Ordensleute und die Laien in der Kirche. Wen denn sonst, wenn nicht die, die sich an einer Gnadenstätte wie Lourdes beheimatet fühlen? Lourdes ist Tankstelle für den lebendigen, den gelebten Glauben. Lourdes ist immer auch klare, eindeutige Sendung zum Zeugnis für Christus und seine Botschaft.
Was er euch sagt, das tut!
Das erste Zeichen und Wunder wirkt Jesus bei der Hochzeit zu Kana. Auf die unaufdringliche, leise Bitte seiner Mutter hin: So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit. Und die Jünger glaubten an ihn“ (vgl. Joh 2,1-12). Auffallend in diesem Ereignis von Kana ist die Stellung und die Haltung Mariens. Einerseits sieht es so aus, als würde Jesus die Mutter ziemlich schroff zurückweisen: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4). Maria hält sich zurück und sagt zu den Dienern: „Was er euch sagt, das tut!“ (Vers 5). Maria weiss, dass es ihm, dem Sohn, überlassen ist, wann und wie er an den Menschen wirken will. Und mit einem schlichten Satz drückt sie aus, was die Voraussetzung ist, dass er wirken kann: Seinen Willen - und somit den Willen des Vaters - zu erfüllen: „Was er euch sagt, das tut!“
Das ist auch das grosse Mysterium von Lourdes, von dem sich immer wieder Menschen berühren lassen. Selbst solche, die seit Jahren in Sünde und Schuld verstrickt sind; diese über Jahre oder Jahrzehnte verdrängt haben. Vor der Grotte in Massabielle spürt der Pilger, die Pilgerin: Ich muss zuerst das tun, was er mir sagt! Ich muss zuerst wieder in Gottes Ordnung zurückkehren, bevor Maria fürsprechend und fürbittend vor Gottes Thron für mich eintreten kann.
Der Ruf des Evangeliums zur Umkehr und die Verehrung der Muttergottes in Lourdes sind unlösbar miteinander verknüpft. Viele Menschen sträuben sich zunächst, sich dem Busssakrament zu öffnen. Wenn ein Pilgerleiter darauf verweist, dass zu einer segensreichen Wallfahrt auch eine gute persönliche Beicht gehört, muss er nicht selten entgegennehmen: „Ich gehe vor Weihnacht und vor Ostern zur Bussfeier!“ (Manche sagen: Zur Gemeinschaftsbeicht!!!) oder „Bei uns ist die Beicht abgeschaft!“ usw. In der Besinnung und im Gebet vor der Grotte fühlen dann doch Viele, dass sie einen Schritt wagen müssen, um den Frieden und die Freiheit zu finden. Den Schritt zum Busssakrament. Jeder Beichtvater in Lourdes macht die Erfahrung, dass Maria viele Menschen zum Sakrament der Versöhnung führt und somit zurück in Gottes Ordnung.
Erfahrbare Glaubensfreude
Nach drei Jahrzehnten „Lourdeserfahrung“ als Priester (andere haben noch viel mehr), darf ich sagen, dass mich der wunderbare Dreiklang
- Sakrament der Versöhnung
- die Feier und Anbetung der hl. Eucharistie
- Verehrung der Gottesmutter
wirklich den Glauben erneuert, die Hoffnung stärkt und die Liebe zu Christus und seiner Kirche neu entzündet. Und was mir persönlich ganz wichtig scheint für unsere Zeit: Die Glaubensfreude ist spürbar und steckt an! Glaubensfreude, echte Lebensfreude die der Glaube trägt, ist der beste Träger für das Evangelium Jesu Christi; der beste Träger auch für die Neuevangelisierung. In einer Welt mit finsteren Diagnosen über die Weltlage und ebenso düstere Prognosen für die Zukunft braucht es viel Licht. Und das haben wir als Christen, ja als katholische Kirche anzubieten; so. wie es das Lichtermeer von Lourdes symbolisiert. In dieser fried- und freudlosen Welt entwickelt sich immer mehr der Hang zum „Fun“, zum Spass, der die Wirklichkeit vergessen lässt.
Die Spassgesellschaft von heute entflieht in eine Scheinwerferwelt der Discos und anderen kurzlebigen Vergnügungen. Die Kirche, der christliche Glaube hat mehr zu bieten: Eine Freude, die trägt. Eine Freude, die sich allem Glaubensfrost und allem Kirchenfrust entgegensetzt. Glaubensfreude, Freude an der Kirche… diese Freude kann nicht verdrängt werden durch Trauer, durch Krankheiten, durch persönliche oder berufliche Rückschläge.
Diese Freude ist der Motor, der antreibt, immer weiter zu gehen nach dem Motto: „Näher mein Gott zu dir!“. An den vielen Kranken in Lourdes wird das besonders deutlich: Schwere, ja schwerste Schicksale sind das augenfällig. Aber auch Menschen, die nicht verzweifeln, obwohl sie Grund hätten zur Verzweiflung in Anbetracht ihres Schicksals. Doch weil eine Kraft da ist, die trägt, eine Kraft, die antreibt, geht der Weg weiter.
Nachtrag
Verwirklichen wir ein Stück „Lourdes“ auch vor Ort, dort, wo wir sind und leben. Von „Maria Lichtmess“ am 2. Februar bis zum 10. Februar bete ich mit Pfarreiangehörigen die Lourdes-Novene auf den Gedenktag U. Lb. Frau von Lourdes ausgerichtet (11. Februar). Ich freue mich, wenn viele Leserinnen und Leser der SKWZ sich mit uns im Gebet verbinden.
Die Intention des Gebetsnetzes: Neuevangelisierung in unserem Land!
Am Samstag, 7. Februar halten wir einen festlichen Gottesdienst zu Ehren U. Lb. Frau von Lourdes um 10.00 Uhr in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Villmergen AG. S. E. Msgr. Amédée Grab, emeritierter Bischof von Chur, wird dem Pontifikalgottesdienst vorstehen.
Donwload als PDF-Dokument
Weitere Infos: www.pfarrei-villmergen.ch
Bernhard Stephan Schneider Pfarrer St. Peter & Paul CH – 5612 Villmergen dasoffeneohr@pfarrei-villmergen.ch |
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